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#1

Waldviertel und Gedanken zu Stenobothrus stigmaticus

in Exkursionsberichte 13.08.2012 14:42
von hospiton • 2.767 Beiträge

Hallo!
Wie schon erwähnt waren wir spontan an den beiden letzten Sonntagen im Bezirk Zwettl wandernd unterwegs, und natürlich wurden auch die gesehenen und gehörten Heuschrecken notiert (und fotografiert). Klar, das Artenspektrum ist zwar deutlich kleiner als im (pannonischen) Ostösterreich oder auch bei mir im Wienerwald, aber es sind halt Arten dabei, die ich bei mir selten oder gar nicht zu Gesicht bekomme. Eine davon ist der Kleine Heidegrashüpfer, Stenobothrus stigmaticus. Die triste Lage rund um seine Situation im Waldviertel hat Wolfgang ja schon ausführlich behandelt (z.B. -->Wörth und Stegwiese (Juwel der Waldviertler Bürstlingswiesen) oder in den Beiträgen zur Entomofaunistik 12 – „Zum Rückgang von Stenobothrus stigmaticus im südwestlichen Waldviertel“). Mein heutiger Bericht bzw. meine Gedanken sollen auch wieder einige positive Beobachtungen zu dieser gefährdeten Art vermitteln. So ist mein Eindruck, das diese Art schon fähig ist, günstige Minihabitate zu erobern bzw. sich dort auch erfolgreich zu reproduzieren! Wie Wolfgang schon unlängst schrieb

Zitat
...Ein deutscher Autor hat für den stigmaticus geschrieben, dass die Mindestgröße für ein dauerhaft besiedeltes Habitat 3-4ha betragen soll (bin gefühlsmäßig nicht ganz dieser Meinung)...

habe ich auch den Eindruck, dass dieses viel zu groß bemessen wird!

Beispiel 1: beim Vorbeiwandern an dieser Stelle:



fiel mir der zum Wegrand hin immer mager werdende Bewuchs auf (ob es sich letztendlich um „Borstgrasrasen“ handelt, müsste ein Pflanzensoziologe feststellen). Hier noch ein Blick von der fetteren Wiese zum Weg hin:

Und die Begehung dieser mageren Stellen ergab eine unglaubliche Dichte an St. stigmaticus, auch Larven!




Der magere Streifen war eigenlich nur 0 – max. 10 m breit, über eine Länge von ca. 100 bis 200 m, dahinter „normale“ Fettwiese mit Ch. dorsatus und parallelus, M. roeselii bzw. ein Kleeacker mit D. verrucivorus. Klar stellt sich die Frage, wie lange dieser Streifen schon bzw. noch so besteht, ob sich ein evtl. Nährstoffeintrag hangabwärts „fortpflanzt“ und sich dadurch negativ auf die Population auswirkt. Zur Kontrolle begutachtete ich dann in weiterer Folge noch ähnliche Stellen am Wegrand, vor allem um Birken herum fanden sich ganz ähnliche Pflanzensoziologien, und überall dort konnte ich den stigmaticus finden! Und ein Blick in die Landschaft zeigte ganz ähnliche, potentielle Stellen, vor allem die im Waldviertel häufig zu sehende „Stufenwiesenwirtschaft“ begünstigt solche Randzonen zu den Böschungskanten hin!

Beispiel 2: Hungergefühle ließen uns zu einem, vom Weg aus nur zu erahnenden und nur über ein Stoppelfeld zu erreichenden Fischteich zwecks Mittagsrast abbiegen. Dort bot sich mir dann folgendes Bild:


Aus der Gegenrichtung, die schmalste Stelle:


Sichtlich in Privatbesitz stehend, wurde der schmale Streifen zwischen Feld und Ufervegetation akribisch mit dem Rasenmäher gemäht! Auch hier fiel mir der magere Bewuchs, mit auffälligen Matten vom Kleinen Habichtskraut (Hieracium pilosella) auf. Aufgrund der Umgebung dachte ich zwar an ein sinnloses Unterfangen, zumal beim Betreten des Rasens zuerst nur ein Ch. albomarginatus-Weibchen und Tetrix-Larven wegsprangen, auch einige Feldgrillenlarven waren zu sehen und im Uferbereich zirpten Pholidoptera griseoaptera, dennoch schritt ich den Streifen ab, und schon nach 1, 2 Schritten sprang das erste St. stigmaticus Weibchen vor mir auf! Und, als ich den gesamten Streifen (ca. 120 x maximal 3 m durch Schrittmessung ermittelt) einmal auf und abgegangen bis, stellte sich diese Art als dominierend heraus, fast bei jedem Schritt spritzen 1 – 2 Tiere weg! Weil die so schön sind, gleich noch ein Männchen:



Natürlich sah ich auch die Kehrseiten: eine Wiese, die aus der Entfernung auch recht ähnlich wirkte, entpuppte sich bei näherer Betrachtung als vor Kurzem mit Jauche gedüngt, und an einer anderen türmten sich am Rande bereits Wälle aus Stallmist und Komposterde.
Zusammenfassend ist mein Urteil, dass diese Art mit solchen geschilderten, magerrasigen Inseln, und seien sie noch so klein, besser zurechtkommt als vermutet und diese anscheinend rasch besiedeln kann, wie ich z.B. bei der Fischteich-Stelle annehme, denn diese ist eingegrenzt von Äckern, eben dem Teich, tlw. verbuschten Brachen und Fichtenwäldern, daher gehe ich nicht davon aus, dass dort in den letzten Jahren Borstgraswiesen existierten. Aber es ist mir auch klar, dass dies die derzeitige Entwicklung im Waldviertel (und auch überall sonst in Österreich bzw. weltweit), wie sie Wolfgang auch schon vermehrt kritisiert und erlebt hat, nicht rückgängig macht oder aufhält – die Beobachtungen sollen nur anhand dieser Art skizzieren, wie viele Nischen es gibt, die eher zufällig entdeckt werden und sich vielleicht allerorts finden (oder sogar geschaffen werden können?).
Zum Abschluss noch ein paar andere Tiere: für mich auch eine kaum und daher gern gesehene Art ist Myrmeleotettix maculatus:




oder Omocestus haemorrhoidalis:


der solche „Minihabitate“ zwischen Stoppelfeld und Fettwiese im Waldviertel bewohnt:


auch die frischgehäutete Feldgrille am Fischteich war recht herzig anzusehen:



und noch offtopics:



LG

Werner


zuletzt bearbeitet 13.08.2012 22:32 | nach oben springen

#2

RE: Waldviertel und Gedanken zu Stenobothrus stigmaticus

in Exkursionsberichte 13.08.2012 18:03
von WSW • 1.034 Beiträge

Servus Werner!

Da bin ich jetzt offenbar aufgefordert, dazu was zu schreiben.
Erstens einmal super, dass es weiter oben noch Regionen gibt, wo es dem stigmaticus noch etwas besser geht. Ist ja immerhin einer meiner ganz speziellen Lieblinge und das grüne Männchen aus der ÖGEF-Zeitung ziert auch mein August-Kalenderblatt im Vorhaus momentan.

So wie du die Situation dort vorstellst, dürfte es bei uns herunten vor etwa 15-20 Jahren gewesen sein. Den deutschen Autor kann man schon ein wenig anzweifeln, muss ich auch, sonst könnte ich gleich resignieren, weil höchstens die Stegwiese diese Fläche knapp erreicht und auch die ist ja nicht flächig besiedelt. Aber ich gehe schon einmal fix davon aus, dass solche lineare Kleinstrukturen nur dann in diesen enormen Dichten (wie sie für den stigmaticus eigentlich ganz typisch sind) besiedelt werden, wenn sie mit Stammhabitaten vernetzt sind bzw. irgendwie Anschluss haben.

Auch sieht man bei dem doppelt vorhandenen Foto 7+8, dass die anschließende Fläche anscheinend erst kürzlich umgebrochen wurde, das Vorkommen in dem Restflächenstreifen ofenbar nur mehr reliktär ist. Solche Streifen bleiben normalerweise nicht so, werden vom Dünger und Pestiziden aus der Kulturfläche beeinflusst und in ein paar Jahren ist der Heuschreck dort dann weg. Ich hatte mehrere solcher Vorkommen beschrieben, die dann nicht mehr zu finden waren.

In der Landwirtschaft findet ein permanenter Kampf um jeden qm statt, deswegen ackert auch der Bauer, der an meine obere Parzelle anschließt, zu mir herüber. Weiter oben im Waldviertel ist man da eben noch ein wenig hinten. Aber irgendwann sind auch dort die Raine entweder umgeackert, aufgedüngt oder verbracht.

Auch deine Eindrücke und Bilder bestätigen letztlich meinen Eindruck, den ich beschrieben habe, nämlich dass der stigmaticus im Waldviertel noch vor einigen Jahrzehnten praktisch flächendeckend vorgekommen sein muss. Wir finden jetzt nur noch die Überreste, je nach Gebiet in unterschiedlichem Erhaltungszustand. Wenn die Vernetzungsmöglichkeit und der Populationsaustausch zusammenbrechen, dann kann es sehr schnell gehen, da haben die Deutschen schon recht.

VG Wolfgang

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#3

RE: Waldviertel und Gedanken zu Stenobothrus stigmaticus

in Exkursionsberichte 13.08.2012 22:43
von hospiton • 2.767 Beiträge

Hallo Wolfgang!

Zitat von WSW im Beitrag #2
Da bin ich jetzt offenbar aufgefordert, dazu was zu schreiben.

War keine zwingende Aufforderung, bin aber natürlich dankbar für Deine Einschätzung der Situation, Du kennst sie ja wohl am besten in Österreich! Aber wie schon öfter angedeutet, es bleibt abzuwarten, ob es sich wirklich so trist dort hin entwickelt. Danke übrigens für den Hinweis des doppelten Bildes, ist korrigiert - auch das Feldgrillenbaby hat gefehlt...! (Übrigens, der Eindruck des frisch umgebrochenen Ackers sieht auf dem Bild tatsächlich so aus, es dürfte sich aber nur um die Stelle hinter der Biegung - am Bild vorher sieht man das am hinteren Ende - handeln, die Ackerfläche als Ganzes dürfte dennoch eine einheitliche Fläche sein, die meiner Einschätzung nach schon länger besteht, aber vielleicht kann man das ja noch rausfinden, ist aber letztendlich ohnehin nur sekundär. Ich fand es aber dennoch auch verblüffend, wie der stigmaticus diese offensichtlich schon öfter in dieser Saison stattgefundenen Mahd überlebt hat, wo er kaum Ausweichstellen dort hat!

LG

Werner


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