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So, und nun der letzte größere Bericht aus den Karawanken, die ich in der zweiten Augustwoche mehrfach heimsuchte.
Es war am 8.8., als ich auf den Freiberg (slowen. Setice) stieg, südöstlich von Ferlach gelegen. Sein Gipfel erhebt sich bis auf 1923 m, somit dürfte er hinter einigen Gipfeln des Hochobir-Massivs der höchste Karawankenvorberg sein, falls ich mich nicht verschaut hab. Hauptgrund für die Exkursion waren wie im Falle des Bärentals 2 historische Meldungen aus den 1940er Jahren, die von Poecilimon ornatus und Arcyptera fusca berichten und seither nicht bestätigt wurden (wahrscheinlich, weil kein heuschreckenaffiner Geist mehr oben war).
Man startet in Zell-Pfarre auf 950 m und geht zunächst über einen Grünland-Komplex am Ortsrand (vorbei an einem "architektonisch etwas aus dem Rahmen fallenden Haus", wie es in der bergfex-Wegbeschreibung so schön heißt:-)) in nördliche Richtung zum Waldrand. Noch nie so schön wie hier konnte ich unmittelbar erleben, wie unterschiedlich doch die Heuschreckendichte in einer Fettwiese und einer Extensivweide ist: Während links maximal ein paar wenige Exemplare von Pseudochorthippus parallelus und Chorthippus dorsatus sangen, ertönte aus der Weide rechts ein wahres Heuschreckenkonzert. Artenmäßig zwar nicht so die Burner (außer den beiden genannten noch Roeseliana roeselii und Chorthippus biguttulus), aber die Individuendichte sprach für sich.
Anschließend geht es praktisch durchgehend recht steil bergauf, meist durch Wälder, nur hin und wieder aufgelichtet durch einen Forstweg oder einen lauschigen Rastplatz. An Heuschreckenarten war hier beim Aufstieg (noch recht früh am Tag) erwartungsgemäß nicht die Welt los, hinzu kamen Pholidoptera griseoaptera, Gomphocerippus rufus und Chorthippus brunneus, beim Abstieg am Nachmittag aber dann immerhin noch beide Tettigonias (nur 1 viridissima) sowie zu meiner großen Freude die beiden "zierlichen", Pachytrachis und Poecilimon gracilis. Als off-topic die Baumwanze Picromerus bidens ("Zweizähnige Dornwanze", offenbar hochträchtig) - bin mir nicht ganz sicher, woran sie da saugt, vielleicht an einer Baby-Schnecke?
Bis 1500 m tat sich also zumindest beim Aufstieg nicht allzu viel, doch dann ging es los - und die folgenden Stunden waren für mich die spannendsten in dieser Woche!
Der Wald öffnet sich plötzlich und man durchschreitet sehr lichte gras- und felsdurchsetzte Nadelwälder (man könnte auch sagen baumdurchsetzte Felsrasen).
Sofort hörte ich (verbreitet und häufig!) das vertraute Schnurren von Antaxius difformis (neu für dort), und ebenfalls verbreitet "zickte" Poecilimon ornatus aus den Grasflächen. Gesehen hab ich von letzterer aber keine einzige - keine Ahnung, wo die da genau sitzen.
Und dann war da plötzlich ein mehrere Sekunden andauerndes, ratterndes Geräusch, dass ich vorher bewusst noch nie gehört hab. Es dauerte einige Zeit, bis ich den Urheber fand, und diese Art sollte bis zum Gipfelkreuz die häufigste bleiben, überall rasselte es am Weg rauf. Und das erste Mal konnte ich seinen Gesang ausgiebig und unendlich oft beobachten und auch (mehr schlecht als recht) filmen und auf Foto festhalten. Es ist ja nicht so, dass ich die Art noch nie gesehen hätte, aber es waren immer eher nur Einzeltiere. Nicht aber war ich jemals in einer so dicht besetzten Population, die wohl aus vielen hundert Sängern (insgesamt wahrscheinlich noch weitaus mehr) bestand. Mit der schnellen Flügelbewegung kommt nicht mal die Kamera mit, deswegen diese "Wellen" im Video.
Dank dieser Beobachtungen ist Stenobothrus rubicundulus nun "endgültig" (zumindest vorerst;-) zu meinem Lieblings-Kurzfühler avanciert!
Am Beginn des Gipfelgrates kam ich zu einer kleinen Senke, die im Zentrum auf ein paar Quadratmetern etwas feuchter war und in der sich (und das ist mit ein Grund, warum ich so auf Heuschrecken stehe) wirklich genau nur dort Roesliana roeselii und Metrioptera brachyptera, teils noch larval, aufhielten. Dort konnte ich auch erstmals ein makropteres Männchen von Euthystira brachyptera singen hören - klingt wie eine Mischung aus Antaxius difformis und Chrysochraon dispar, insgesamt tiefer und dumpfer als üblich. Die Dichte an Ameisenhaufen ist dort übrigens enorm, teilweise 10 direkt nebeneinander! Kein Wunder, dass da auch eine Birkhuhnfeder rumlag;-).
Oben beim Gipfelkreuz sieht es so aus (einfach wunderschön!), hier waren außer dem allgegenwärtigen S. rubicundulus noch P. ornatus, Decticus verrucivorus, Omocestus viridulus, G. rufus und Eu. brachyptera unterwegs - für fast 2000 m eine durchaus beachtliche Artenzahl in diesen Breiten:
Und wie auch im Bärental-Beitrag muss ich festhalten: Wenn es Arcyptera hier gibt, dann hätte ich sie spätestens da oben finden müssen! Der Lebensraum ist sehr weiträumig (das sind riesige Flächen, sieht man auch schön am Luftbild), und es hat sich hier in den letzten 100 Jahren bestimmt kaum was verändert (und selbst wenn, für Arcyptera würde es immer noch ausgezeichnet passen). Natürlich könnte auch der uns unbekannte "Faktor X" (Parasiten etc.?) für ein Verschwinden verantwortlich sein, aber mal ehrlich, das glaub ich dort oben nicht...
Es verhält sich nun folgendermaßen: Sowohl vom Gehöft "Plautz" im Bärental als auch vom Freiberg gibt es historische Meldungen von der lärmenden Arcyptera fusca. Im Bärental ist gegenwärtig der lärmende Stauroderus unglaublich häufig, und am Freiberg ist der lärmende rubicundulus unglaublich häufig. Historisch ist aber kein Stauroderus vom Standort im Bärental gemeldet und auch kein rubicundulus vom Freiberg - und so taub bzw. blind, dass man die beiden Arten nicht bemerkt (v. a. nicht bei diesen Individuendichten), kann man doch eigentlich nicht sein. Ich möchte keinesfalls den Altvorderen auf den Schlips treten, die die Pioniere der orthopterologischen Erforschung Kärntens waren! Aber irgendwie fängt der Kas doch da zum Stinken an... Zudem kommt, dass ja der geniale Gesang von Arcyptera eigentlich die Vereinigung der Gesänge von Stauroderus und rubicundulus ist - das "chcht chcht" macht Stauroderus, und das "fschhhhhhh" hört man beim rubicundulus. Ich möchte somit die Hypothese aufstellen, dass sie sich schlichtweg von den lauten Geräuschen haben täuschen lassen und sie Arcyptera zugeschrieben haben. Aber das ist natürlich eben nur eine Hypothese, die sich nicht beweisen lässt (es geht aus der Literatur nicht hervor, dass es Belege gibt). Und vielleicht tu ich ihnen unrecht - was keinesfalls meine Absicht ist! Doch die Indizien erscheinen mir irgendwie sehr schlagend...
Doch wie auch immer (und ich entschuldige mich, dass das jetzt so lang geworden ist, aber es ging einfach nicht anders...) - ich möchte diesen eindrucksvollen Freiberg jedem wärmstens ans Herz legen! Nicht umsonst wird er auf bergfex als "einer der sympathischsten Karawankenvorberge" bezeichnet - und das völlig zurecht!
Hier noch die Artenliste (21 Arten):
Barbitistes serricauda
Tettigonia cantans
Tettigonia viridissima
Poecilimon ornatus
Poecilimon gracilis
Roeseliana roeselii
Metrioptera brachyptera
Decticus verrucivorus
Pholidoptera griseoaptera
Pholidoptera aptera
Pachytrachis gracilis
Antaxius difformis
Gryllus campestris
Euthystira brachyptera
Omocestus viridulus
Gomphocerippus rufus
Stenobothrus rubicundulus
Chorthippus brunneus
Chorthippus biguttulus
Chorthippus dorsatus
Pseudochorthippus parallelus
Beste Grüße,
Günther
Servus Günther!
Einfach toll die Berichte und Deine (schlüssige) Schlussfolgerung, ich muss bei den lauten Kurzfühlern auch jedes Jahr auf's Neue kurz in mich gehen, um zu wissen, wer da was macht, zumal dies alles Arten sind, die ich nicht unbedingt täglich sehe/höre (den rubicundulus ja noch gar nicht!!!) und danke auch für die moralische Unterstützung (Zitat Günther:... dass ich sicher nie wieder auf diesen Berg gehen werde. &....gab es eine Stelle, bei der ich schon dachte, jetzt ist es aus. ) - schön, dass ich damit nicht alleine bin und das begründet auch meine Berg-Phobie...
Lg
Werner
Ja, ich musste eh öfter an Dich denken beim rubicundulus, das hätt Dir gefallen (abgesehen vom abschüssigen Gelände vielleicht;-).
Bisher hatte ich noch nie so eine Situation wie am Mittagskogel, aber letztlich nimmt man offenbar selbst eine volle Hose in Kauf, wenn man dann da oben stehen kann, wie am Dach der Welt...
Doch trotzdem geh ich da nie wieder rauf...
Hab noch die Artenliste vom Freiberg ergänzt, die hab ich vorhin vergessen...
LG,
Günther
Zum Trost kann ich sagen, dass ich auch sogar schon umgedreht habe. Das Schlimmste war sicher damals das Umdrehen an der "Schlüsselstelle" am Hohen Tenn (3360m) nach einer schlaflosen Nacht in der völlig überfüllten Hütte. Hingegen habe ich z.B. ausgeschlafen mehrmaliges Verlangen nach Umdrehen beim Aufstieg über die viel ärgere Via ferrata auf die Civetta in den Ampezzaner Dolomiten niedergekämpft. Es hat sich schließlich ausgezahlt - die Tiefblicke am Aufstieg und am Gipfel waren gewaltig.
Jeder kann mal umdrehen, Werner. Umdrehen ist besser als abstürzen.
Beim rammei kenne ich nur die Vorkommen im Bärental. Da waren sie immer im Bereich von Schuttströmen, nicht in dichterer Vegetation abseits davon. Meine Stichprobe ist aber sehr klein. Ich gehe mal davon aus, dass sie zumindest schüttere (sub-)alpine Vegetation brauchen. Hingegen lebt der a.alticola auf Almen, zumindest am Tremalzo.
Ich könnte mir das Kanaltal bei Thörl-Maglern als natürliche Grenze vorstellen, die nicht überschritten wird - das Areal von alticola geht dann Richtung Südwesten weiter und bleibt südlich von Österreich. Um das nachzuprüfen, sollte man sich mal den Gartnerkofel auf dem Nassfeld geben. Dort gibt es ja ein paar botanische Südalpenvorposten und vieleicht gilt das auch für den alticola (u.U. sogar die "übergangsformen"?).
VG Wolfgang
Zitat von WSW im Beitrag #4
Umdrehen ist besser als abstürzen.
Tja, wenn man den richtigen Moment erkennen kann.... (das erinnert mich an den oft verwendeten und in seiner Aussage sehr "intelligenten" Kommentar unserer Fussballkommentatoren nach einem Ballverlust: "das war ein Haken zuviel" )
LG
Werner
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