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#1

Tetrix

in Bestimmungsfragen 16.12.2014 09:55
von Kay • 39 Beiträge

Hallo an die Bestimmergemeinde !
Das Thema Dornschrecken hat mich ja nun fest in seinem Griff. Also ist es nicht verwunderlich, dass ich einen Besuch bei der Bayerischen Verwandtschaft im Sommer genutzt habe um Alpenschmankerl unter den Heuschrecken zu suchen. Wie sich nun aber herauskristallisiert, u.U. auch mit ziemlichem Erfolg. Anbei eine Kollage mit der Bitte um Artdiagnose.
Aus meiner begrenzten, erst einjährigen Heuschreckenerfahrung heraus in jedem Fall ein Weibchen aus der Untergattung Tetrix mit flachem Halsschildkiel. Dazu hatten manche Weibchen ein leicht verlängerten und Männchen ein deutlich ausgezogenen Dorn. Deutlich gewellte Ventralkanten der Vorder- und Mittelschenkel. Voralpine Schotterbänke kleineren Ausmaßes. Tetrix ceperoi ist hier nicht zu erwarten glaube ich und die kenne ich auch aus Norddeutschland ganz gut. Einige wenige Tetrix subulata sprangen dort auch herum die sich aber habituell in keiner Weise von den mir aus meiner Heimat bekannten Tieren unterscheiden. Wenn mich also nicht alles täuscht, habe ich damit Tetrix tuerki gefunden oder ? Wenn dem so sein sollte, würde mich noch Folgendes interessieren. Gibt es von T. tuerki nicht auch zwei Unterarten oder verwechsle ich das mit T. bipunctata ? Zumindest in Österreich gibt es doch noch wenigstens eine weitere ähnliche Dornschrecke. Wie trenne ich diese denn morphologisch von tuerki oder ist das eine Art der Untergattung Tetratetrix ?
Im Voraus danke für Eure Hilfe !
Grüße aus Oldenburg,

Kay

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#2

RE: Tetrix

in Bestimmungsfragen 16.12.2014 18:00
von Günther • 2.345 Beiträge

Hallo Kay!

Dieses Tier ist wirklich tricky! Und ich muss gleich vorneweg sagen, dass ich mir hier keine definitive Bestimmung zutraue.
Tetrix subulata würde ich mal ausschließen, Deine ist viel zu kräftig gebaut, die Hinterschenkel sind zu dick. Gleiches gilt für T. ceperoi.
Die Mittelschenkel sind zwar recht stark gewellt, aber T. tuerki hat das noch viel extremer, außerdem steht bei der der Kopfgipfel nicht so weit vor, die Fühlerfärbung ist zu hell (nach meiner Erfahrung), und die Körperfärbung ist auch nicht typisch.
T. bolivari kann man auch getrost ausschließen (Fundort, kein Knick in der distalen Hinterschenkelnaht). Meinst Du die mit der ähnlichen Art in Österreich?
Langdornige T. bipunctata ist es auch keine (Fühlerglieder, Pronotumvorderrand).
T. tenuicornis glaube ich auch nicht, da passen die Fühlerglieder nicht wirklich, auch die Legeklappen sind dafür zu lang.
Bleibt eigentlich nur noch T. undulata übrig. Deren wissenschaftlicher Name kommt ja von 'unda' (= Welle) und bezieht sich auf die manchmal(!) gewellte Oberkante des Dorns. Das würde also schon mal passen. Das Tier scheint eine Tendenz zur Langdornig- und somit Langflügeligkeit zu zeigen, also kann man die Flügellänge nicht als Merkmal heranziehen. Der nicht stark, aber dennoch vorgezogene Kopfgipfel liegt mE im Rahmen der Variabilität der Art, ebenso die gewellten Mittelschenkel. Die Länge des Legebohrers würde auch passen. Die Form der Fühlerglieder hingegen nicht unbedingt, diese distalen Verbreiterungen sind nicht so typisch. Schon typisch jedoch sind die breiten Elytren, die etwa so breit sind wie die Mittelschenkel.

Unterm Strich glaube ich also am ehesten, dass es sich dabei um T. undulata handelt - aber ohne Gewähr. Ich hab die in Oberösterreich jedenfalls auch schon auf tuerki-verdächtigen Schotterbänken gefunden.

Aber vielleicht hat ja noch jemand eine eindeutigere Meinung. Wo genau warst Du denn in Bayern?

Zwei Unterarten von T. tuerki kenne ich in unseren Breiten nicht.

Soweit meine Gedanken dazu - ich bitte um eine forumserweckende winterliche Diskussion;-)

LG,
Günther


zuletzt bearbeitet 16.12.2014 18:49 | nach oben springen

#3

RE: Tetrix

in Bestimmungsfragen 16.12.2014 19:01
von Günther • 2.345 Beiträge

Dazu möchte ich noch anmerken, dass man irgendwelche wilden Hybridisierungen nicht ausschließen kann. Aber ob sich da jemand gut auskennt..?

Günther


zuletzt bearbeitet 16.12.2014 19:02 | nach oben springen

#4

RE: Tetrix

in Bestimmungsfragen 16.12.2014 20:47
von hospiton • 2.767 Beiträge

Hallo Kay & Günther!

Du stellst wahrlich interessante Tiere da ein! Meine Erfahrung mit tuerki ist gleich 0, folglich kann ich nur theoretische Bemerkungen dazu geben:

Pro-tuerki:
ist der typische "Buckel" gleich nach dem Vorderrand
die Fühlerfärbung
der gewellte Unterrand des Mittelschenkels
der Legebohrer (alles Merkmale, die unsere Schweizer Freunde gut beschreiben!)
Kontra-tuerki:
die breiten Flügel (evtl. durch die Präparation der Dorn etwas zu hochgezogen?)
der nicht ganz flache Rückendorn (für mich aber viel zu flach für Günthers undulata-Vermutung, da gefällt mir auch der Pronotumsvorderrand und der Kopfgibel überhaupt nicht!)

Auf den ersten Blick dachte ich ja sofort an eine kurzdornige subulata - das Fastigium wäre da ganz typisch, allerding muss ich Günther rechtgeben bzgl. des massigen Hinterschenkels.

Also, vielleicht kannst Du (Kay) noch ein Bild von vorne einstellen, wo man die Höhe des Dornes besser abschätzen kann, wenngleich es auch keine 100%ige Bestimmungsgarantie werden wird...

LG

Werner


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#5

RE: Tetrix

in Bestimmungsfragen 17.12.2014 08:07
von Markus S. • 436 Beiträge

Hallo allerseits!

Ich sehe, abgesehen von der Form des Pronotum-Mittelkiels, nichts was gegen T. tenuicornis sprechen würde! Vertex, Form der Legeklappen, Flügellänge, gewellte Mittelschenkel (auch das Merkmal passt zu T. tenui!) passen doch wunderbar. Auch bei den Fühlern kann man erkennen, dass die mittleren Glieder doch länger sind und deren Form ist m. E. auch sehr typisch. Einzig und allein die Ausprägung des Dorns ist abweichend...aber auch in der besten Familie gibt es eben Ausreißer ;)

LG, Markus


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#6

RE: Tetrix

in Bestimmungsfragen 17.12.2014 11:48
von Kay • 39 Beiträge

Hallo !

Erstmal vielen Dank für Eure Diskussionsbeiträge. Im Folgenden füge ich noch ein paar Fotos weiterer klar bestimmbarer Arten vom Fundort wie auch zusätzliche Fotos von Individuen des Tetrix cf. tuerki-Bestands an, die vielleicht in ihrer Gesamtheit ein klareres Bild ergeben. Dazu im Folgenden ergänzende Anmerkungen:

Das folgende Foto zeigt in meinen Augen deutlich, warum meiner Meinung nach nur die Untergattung Tetrix in Frage kommen kann. Der Mittelkiel, das war auf der ersten Kollage durch Dorsal- und Seitenansicht nicht gut sichtbar oder sogar misleitend, ist wirklich flach. Dieses traf auch auf alle Individuen zu, die ich am Fundort angetroffen habe. Ebenso wegweisend zur U-Gattung ist die Ausprägung des Dorns. Bei den meisten Individuen (Weibchen) war dieser etwas verlängert, bei einigen Männchen voll ausgeprägt. Bei Tetratetrix mögen gewiss langdornige Tiere in Populationen vorkommen, dass aber ganze Populationen langdornig und mit flachen Pronotum sein können wäre zumindest für mich neu.



Solltet Ihr dennoch der Meinung sein, dass auch die Untergattung Tetratetrix solche Merkmale auf Populationsniveau ausbilden kann, würde ich weitere Detail-Fotos von Fühlern und Vorder-Hinterflügellängen-Verhältnissen machen um undulata versus tenuicornis zu diskutieren. Letztere habe ich erst in diesem Jahr kennengelernt und daher noch keine große Erfahrung. Deren Fühlergliederlänge ist für mich eines der wegweisendsten Kennzeichen (s. meinen Beitrag mit Bildern und Diskussion zu tenuicornis hier im Forum). Die Tiere der hier fraglichen Population erinnern mich aber gerade in diesem Punkt gar nicht an tenuicornis. Im Übrigen sind die Hinterflügel aber mindestens so lang wie bei tenuicornis, was undulata bis auf Einzelfälle aus dem Rennen werfen sollte.

Die nächsten beiden Fotos zeigen Individuen der ebenfalls am Ort gefundenen Arten T. subulata und T. undulata die für mich auch klar als solche von der fraglichen Population unterschieden werden können. Sie waren am Fundort deutlich seltener und entsprechen in jeglicher Hinsicht der mir aus Norddeutschland bekannten Variationsbreite dieser Heuschrecken.




In Ergänzung zum ersten Tier hier noch ein weiteres, etwas langdornigeres Weibchen und ein langdorniges Männchen (es gab auch deutlich kurzdornigere) der fraglichen Art.




Auch habe ich ein paar Larven gesammelt. Nicht das ich glaube, dass es mit deren Hilfe nun einfacher wird aber auch sie zeigen alle bereits das Merkmal gewellter Mittelschenkel.

Was ich bei den von mir gefundenen Tieren tatsächlich nicht wirklich tuerki-Mäßig finde, ist die nicht "sphingonotus-artig" Kopfform. Im Feld habe ich mir das nicht angeschaut und ob die Präparate sich diesbezüglich verändert haben kann ich nicht sagen, glaube es aber eher nicht. Bei der Foto-Recherche im Netz ist dies mir aber für die tuerki nach Euren Hinweisen besonders aufgefallen.
Hoffe ich konnte mit den neuen Fotos Euren Blick weiter schärfen.

Gruß und Dank,

Kay

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#7

RE: Tetrix

in Bestimmungsfragen 17.12.2014 11:55
von Kay • 39 Beiträge

--------STOP PRESS----------

........... was mir gerade bei der Nachbetrachtung meines vorigen Beitrages auffällt: Ich müßte die vermeindliche undulata noch mal neu präparieren um die Hinterflügellänge zu sehen aber nach allem was auf dem Foto zu sehen ist, ist das doch eher eine tenuicornis !
Oder?


Kay

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#8

RE: Tetrix

in Bestimmungsfragen 17.12.2014 11:55
von hospiton • 2.767 Beiträge

Hallo Kay,

interessant, das Frontbild widerlegt nun für mich deutlich Markus' Meinung, mit der ich mich inzwischen schon angefreundet hatte...

Eine kleine Korrektur möchte ich noch zu Deiner vermeintlichen undulata anbringen: das ist eine deutliche tenuicornis - schau Dir den rechten Fühler und die dicken Hinterschenkel an!

Zur Causa tuerki lasse ich die anderen ran, die kennen die Art wenigstens schon persönlich...

LG

Werner


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#9

RE: Tetrix

in Bestimmungsfragen 18.12.2014 11:23
von Günther • 2.345 Beiträge

Hallo Kay,

anhand der neuen Bilder ist es für mich ziemlich klar, dass es sich doch um T. tuerki handelt, vor allem das Weibchen lässt eigentlich keine anderen Schlüsse zu. Das Männchen wiederum ist etwas merkwürdig, aber das war ja beim Ursprungsweibchen auch schon so. Wirklich viel wissen wir über die Variabilität von T. tuerki nicht, so wahnsinnig oft haben wir sie ja auch noch nicht gesehen...

Dass bei dem ersten Tier von tuerki über undulata bis hin zu tenuicornis alles dabei war, deutet wiedermal daraufhin, wie schwierig die Dornschrecken sein können, wenn sie wollen. Und genau deshalb sind es welche von den spannendsten!

Gratuliere zu Deinem Fund!

LG,
Günther


zuletzt bearbeitet 18.12.2014 11:24 | nach oben springen

#10

RE: Tetrix

in Bestimmungsfragen 18.12.2014 15:15
von Kay • 39 Beiträge

Hallo Günther und Werner,

ich freu mich, dass Ihr am Ball geblieben seid. Genauso würde ich natürlich noch Markus Nachschlag begrüßen und auch gern zusätzliche Meinungen von weiteren Leuten aus diesem Forum !.
Trotz der Mühe die man sich bei der Ablichtung der kleinen Dornschrecken gibt, ersetzt kein Fotos das Original. Somit ist es bestimmt oftmals nicht leicht per Ferndiagnose das zu erkennen, was ein vorliegendes Exemplar Preis gibt. Daher sicherlich auch die enorme Spannbreite aller in Frage kommenden Lösungen in diesem Fall.
Ich kann mich nur Günthers Worten anschließen, Dorschrecken machen wirklich Spaß !
Gruß,

Kay

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